Heidenheimer Chronik 1945

      

Januar | Februar | März | April | Mai | Juni | Juli | August | September | Oktober | November | Dezember

Januar 1945

Jan.
Anfang des Jahres besteht in Heidenheim ein von der Jugendführung und Wehrmacht eingerichtetes "Wehrertüchtigungslager VIII" für Jungen, daneben ein "Bannausbildungslager".
Es findet im Großen Rathaussaal die Trauerfeier für den aus Berlin evakuierten und am 22. 12. 44 in Eglingen verstorbenen Ehrenpräsidenten des DRK, Generaloberstabsarzt a. D. und Mitglied des Reichstags Dr. Paul Hocheisen statt.

20. 1. - 11. 2.
"Volksopfer" -Sammlung (Kleidung, Wäsche, Uniformen, Ausrüstung).

Februar 1945

Feb.
Der Wedel läuft fast so stark wie 1893. Das Wedelbett an der Wilhelmstraße war fast voll, ebenso die Kammern der Überdeckung zwischen Bergstraße und Neuem Stadthaus.

März 1945

März
Es werden die Krämermärkte eingestellt.

25. 3.
445 Vierzehnjährige begehen die "Verpflichtung der Jugend". Der aus Heidenheim gebürtige Heldentenor der Württ. Staatsoper Alf Rauch singt als Soldat in der Skala in Mailand, in Parma und Genua mit größtem Erfolg.

April 1945

1. 4.
Musiklehrer Hans Marey begeht 50jähriges Jubiläum als Berufsmusiker.

2. 4.
Es werden die Uhren um 1 Stunde vorgestellt: Sommerzeit.

12. 4.
In einem Aufruf forderte der Kreisleiter die Bevölkerung zum Durchhalten trotz Feindnähe auf. Ein neu errichtetes Standgericht in Heidenheim wird erwähnt.

14. 4.
Es wird bekanntgegeben, daß das Öffnen oder Nichtschließen einer Panzersperre und das Zeigen einer weißen Fahne mit dem Tode bestraft wird. Ende März/Anfang April wird eine Ortskommandantur der Wehrmacht im Hallamt eingerichtet.

17. 4.
Um 16 Uhr kam durch den Angriff von 4 Jagdbombern in Schnaitheim 1 Mensch ums Leben, 7 wurden verletzt. 1 Haus wurde zerstört (Eulenstraße 19) und 7 beschädigt.

18. 4.
Der eigenartige Angriff eines einzelnen Flugzeugs, das in der Schnaitheimer Straße 3 bis 4 Bomben warf, forderte 1 Toten und 2 Verletzte, das landwirtschaftliche Anwesen Holz wurde zerstört, 8 Stück Vieh getötet und 14 Gebäude beschädigt (Schnaitheimer Str. 17, 19, 21, 21a, 22, 25, 27, 28 und 31, Paulinenstraße 18, Ottilienstraße 38, 40, 42 und 44).

Ausgabe von 5- und 10 Reichsmark-Geldscheinen durch Stadt und Kreis. Mitte Mai zweite Ausgabe durch Militärregierung (Gesamtausgabe 2,4 Millionen RM) Entwurf Franz Kneer, Druck: Carl Edelmann - Eingezogen bis 31. 8. 1945.

19. 4.
Es wurden durch Bordwaffenbeschuß der Jabos um 7.20 Uhr 1 Person in Schnaitheim verletzt, um 15.45 Uhr 4 Menschen in der Heidenheimer Hauptstraße verletzt (Hauptstraße 4 und 10 beschädigt).
Die "Heidenheimer Kreiszeitung" wird mit Nr. 90 letztmals in Aalen gedruckt. In Heidenheim werden danach nur noch 2 Ausgaben am 20. und 21. 4. gedruckt.

21. 4.
Stadt erhält einen Kampfkommandanten, später Feldkommandanten.
Es beschossen um 7.30 Uhr 2 Jabos die Schnaitheimer Straße und Karlstraße und verletzten 1 Person und beschädigten 2 Lkw. Panzersperren: An den Stadteingängen errichtete der Volkssturm 9 Straßensperren aus Baumstämmen mit Steineinlage und Erde, sogenannte Panzersperren. Die Sperren wurden jedoch beim Anmarsch der Amerikaner nicht geschlossen.
Alle Lebensmittel- und Bekleidungsvorräte der Geschäfte werden ohne Marken an die Bevölkerung verteilt. Der Kreis errichtet ab 1. 11. anstelle der Betreuungsstelle für Umquartierte, Wilhelmstraße 9, im Landratsamt ein "Amt für Wohnungen und Flüchtlingsbetreuung".

24. 4.
Es wurde als einzige Brücke im Stadtgebiet die hölzerne Fußgängerbrücke beim damaligen Freibad nördlich der WCM von deutschen Truppen zerstört.
Evakuierung: Einem Aufruf des Kreisleiters, die Stadt wegen des nahenden Feindes am Sonntag, 22. 4. ab 9.30 Uhr zu räumen, folgte die Bevölkerung nicht, von einzelnen Ausnahmen abgesehen. Um 14 Uhr trafen Artilleriegeschosse der Amerikaner von Zang her u. a. den Eugen-Jaekle-Platz und töteten 1 Person, 3 wurden verletzt. Um 23.30 Uhr kamen Granaten aus derselben Richtung und forderten in Mergelstetten 7 Tote und 1 Verletzten. Auch die Hauptleitung der städt. Kanalisation wird getroffen. Schnaitheim zählte in dieser Nacht 8 Einschläge, 1 Zivilist wurde getötet und 2 verletzt, 1 Gebäude beschädigt.
Stadtbesetzung am 24. 4. um 19 Uhr wird Schnaitheim, um 23.45 Uhr die Stadt selbst kampflos von US-Truppen besetzt. Nur am Eugen-Jaekle-Platz werden noch die beiden Geschäftshäuser der Firma Haux zerstört.

1954 wird festgestellt, daß die Stadt 1244 Gefallene (darunter 127 Heimatvertriebene) zu beklagen hat, und daß das Schicksal von 566 Kriegsteilnehmern noch ungeklärt ist.

Mai 1945

Kein Eintrag

Juni 1945

1. 6.
Das Fürsorgeheim wird Altenheim, ab 15. 8. Hilfskrankenhaus.

24. 6.
Dr. med. Otto Kocher, Chefarzt und Chirurg am Kreiskrankenhaus im Alter von 67 Jahren gestorben.

21. 6. - 21. 8.
War die Polizeischule Auffanglager für 1 700 evakuierte Wissenschaftler aus Thüringen (Nebenlager im Geb. Katzental 1, Schießhaus und WCM-Baracken). Ab August noch internierte Wissenschaftler im "Frühlingsgarten". Höchste Belegungszahl um 28. 6. mit 1 096 Personen.

30. 6.
Es erscheint Nr. 1 des "Heidenheimer Amtsblattes" (nur Mittwoch und Samstag).

Juli 1945

1. 7.
Die AOK erhöht den Beitragssatz von 4,5 auf 5 v. H. Die Insassen des von der IRO belegten Altenheims sind ab 12. 10. bis 31. 8. 46 in den Gaststätten "Grüner Baum" und "Raben" untergebracht, ab 1. 9. 46 im "Christl. Hospiz".

4. 7.
Im Rathaussaal verkündet Obltn. Jasen von der Militärregierung die Koalitionsfreiheit. Betriebsräte, Konsumverein, Gewerkschaften und Bezirksausschüsse sind wieder zugelassen. Alle Innungen im Juli/August durch Kreishandwerksmeister Alois Walz neu gebildet. Ab 1. 12. können Vereine Wiederzulassung durch Militärregierung beantragen. Versammlungsverbot für solche Vereine aufgehoben.

8. 7.
Der erste Probezug (Lok. Nr. 75 084) seit dem 19. 4. fährt um 9 Uhr nach Aalen ab, nachdem Itzelberger Tunnel und Brenzbrücke bei Itzelberg durch Privatinitiative wiederhergestellt sind. An der Fahrt, die um 12.55 Uhr wieder hier endet, nehmen von der Militärregierung Capt. Edwards und Oberleutnant Deye teil.

12. 7.
Militärregierung genehmigt vorläufigen Ratsausschuß. Einsetzung am 26. 7. (Karl Abele, Hans Fetzer, Jakob Götz, Robert Herter, Karl Heinzmann, Albert Ketterle, Otto Kleebach, Friedrich Michel, Curt Scheffler, Karl Schmid, Dr. Hanns Voith, Gottlob Wiedmann).

15. 7.
Polizei städtisch.

17. 7.
Amtsgericht wieder geöffnet.

18. 7.
Dr. Max von Zabern wird von der Militärregierung als Landrat eingesetzt.

19. 7.
Stadtpfarrer Mark begeht das 40jährige Priesterjubiläum.

24. 7. - 11. 8.
Kunstausstellung Gustl Illenberger im Christl. Hospiz.

26. 7.
Aufnahme des Personenzugverkehrs Herbrechtingen - Aalen. Wiederaufnahme des Zugverkehrs nach Ulm durch Sonderzug (Lok. Nr. 383 352) nach Sontheim/Brenz.
Omnibus-Wahl nimmt Linien- und Fernverkehr auf. Vorortverkehr Heidenheim - Schnaitheim - Mergelstetten am 8. 10. aufgenommen.

August 1945

Sommer
Auflösung der Marinekameradschaft unter Verlust des Bootshauses, der Anlagen und Boote.

1. 8.
Die 1941 vom Kreiskrankenhaus vertriebenen Olga-Schwestern nehmen den Dienst wieder auf und setzen eine 50jährige Tätigkeit fort.

15. 8.
Kindergarten bei der Pauluskirche von der Evang. Kirchengemeinde wieder eröffnet. Am 16. 11. der Evang. Kindergarten Schnaitheim.

29. 8.
Postverkehr innerhalb des Kreises wieder aufgenommen. Ab 1. 9. auf US-Zone ausgedehnt. Ein Teil des beschlagnahmten Postgebäudes wird freigegeben.
Briefkästen werden ab 28. 11. wieder regelmäßig geleert.
Die beim Rückzug der deutschen Truppen aus dem Brenztal gesprengten Eisenbahn- und Straßenbrücken wurden größtenteils unter Mitwirkung der Stahlbauabteilung der von den Amerikanern mit einer Feldzeugmeisterei belegten Maschinenfabrik Voith wieder instandgesetzt, wobei die amerikanischen Dienststellen und die militärischen Einheiten fördernd mitwirkten.
Insgesamt wurden 1945/46 in Württemberg durch Voith 7 neue Eisenbahn- und 4 Straßenbrücken geliefert und montiert sowie 19 Eisenbahn- und 3 Straßenbrücken wieder instandgesetzt. In den Werkstätten von Voith wurden viele beschädigte Lokomotiven der Bundesbahn wieder instandgesetzt. Auf diese Weise bekam die Stadt wieder bald Anschluß zur Versorgung und Verpflegung der Bevölkerung.

30. 8.
Vergnügungssteuer-Ordnung erlassen.

September 1945

3. 9.

Die Militärregierung im Hallamt setzt einen "Town-Major" (Stadtkommandanten) ein, welcher alle Truppenfragen (Einquartierung, Requisition usw.) erledigt. Sitz im Volkskunsthaus, Bergstraße 2/1, ab Nov. in der Gewerbeschule, Bahnhofstraße ab 28. 12. im Hallamt.

16. 9.
Durch Zurückstellen der Uhren um 1 Stunde wieder Normalzeit.

Oktober 1945

Okt.
"Kammerlichtspiele" als erstes und einziges Kino wieder eröffnet.
Es wird erstmals wieder beschränkt Gas geliefert. Ab November allgemeine zeitliche Stromabschaltungen.

1. 10.
Wiederaufnahme eines behelfsmäßigen Volksschulbetriebs im Gebäude des Hellenstein-Gymnasiums und in Schnaitheim und Mergelstetten (Schuloffizier der Militärregierung Capt. Bloom). Oberschulen nehmen am 10. 12. im Hellenstein-Gymnasium Unterricht wieder auf. Die Gewerbliche Berufsschule beginnt am 5. 11. wieder mit dem Unterricht in den Gasthäusern "Schwanen", "Ritter", "Linde", in Robert-Koch-Str. 30 und ab 1946 noch im Evang. Vereinshaus und in der Landwirtschaftsschule.

11. - 12. 10.
Die Voithsiedlung ist auf Befehl der Militärregierung (7. Armee) innerhalb kurzer Zeit als geschlossenes Wohngebiet zwischen Steinstraße, Giengener Straße und Stadtwald Schmittenberg zu räumen, um von heimatlosen Ausländern (DP's, poln. Juden) belegt zu werden. Nur geringe persönliche Habe darf mitgenommen werden.
Sammlung von Haushaltsartikeln bei der übrigen Bevölkerung.

15. 10.
Kreis errichtet ein "Amt für Besatzungsschäden''. Bis zum Übergang des städtischen Amtes für Besatzungsleistungen auf den Landkreis am 31. 3. 1946 wurden seit 24. 4. 45 Besatzungsleistungen mit 3,5 Mill. RM bezahlt. Angemeldet waren u. a. für Requisitionen 1,4 Mill. RM, Nutzungs-und Sachschäden 680 000 RM, Dienstleistungen 810 000 RM, Displaced Persons 1,95 Mill. RM, Plünderungsschäden 570 000 RM.

22. 10.
Frauenarbeitsschule beginnt mit Kursen im Volkskunsthaus in der Bergstraße, später (1946/47) auch noch in der Firma Erhard-Waldenmaier.

November 1945

Nov.
Die Polizei erhält wieder Handfeuerwaffen.
Erstmals Eintreffen von Flüchtlingstransporten aus dem Osten u. Südosten angekündigt. Im Nov. erster Transport mit Ostflüchtlingen eingetroffen. Ein Umsiedlungsausschuß für Ostflüchtlinge wird gebildet. Spendenaufruf von Oberbürgermeister und Landrat; Betreuungsstelle ab Nov. im Laden Schmoll,
Hauptstraße 21.

5. 11.
Alle Funktionen der Militärregierung gehen auf deutsche Behörden über. Die 12. US-Panzer-Division wird abgelöst. Die 12. US-Panzer-Division unterhält Olgastraße 6 einen Bazar als US-Military Gift Shop. Geschlossen am 3. 11.
Club-Lokale für amerikanische Truppen waren im Hotel Ochsen, Christl. Hospiz, Bahnhofhotel, Eintracht, Sonneneck, Gesellschaftsgarten, Goldenes Rad, Schloßgaststätte und Waldhorn. Zwei amerikanische Lazarette waren in Schnaitheim, ein Zeltlazarett im Wiesental und eines in der Eckschule (Mai bis Juni).
Nach dem Einmarsch der US-Truppen an Privatwohnungen angebrachte Schilder "Off Limits" sind am 7. 11. wieder zu entfernen. Sammellager für Russen usw. waren im Mai bis Juni in der Polizeischule, für Polen ebenfalls in der Polizeischule (ab August), ab Oktober vor allem in der Voithsiedlung für Juden, ab Juni/Juli für Letten, Esten usw. im Schillergymnasium, Handelsschule, Bergschule, "Krone" und Am Wedelgraben 2. Die Verwaltung der UNRRA war in der Karlstraße 4.

10. 11.
Schwäbische Donauzeitung, Ulm, erscheint als erste Nachkriegszeitung für die Kreise Ulm, Neu-Ulm, Aalen, Heidenheim, Göppingen und Schwäbisch Gmünd (2. Zeitung in Württemberg nach der Stuttgarter Zeitung), nur Mittwoch und Samstag.

14. 11.
Immer noch Sperrstunde von 22.30 bis 5 Uhr. In Schnaitheim und Mergelstetten Ausgehverbot vom 19.11., 22.30 Uhr bis 5.12., 5 Uhr aufgehoben. Die Besatzungsmacht belegt folgende Schulen u. a. Gebäude: Olgaschule (ab 5. 5. 45 bis 25. 2. 46.), Ostschule (ab 25. 4. 45 bis 20. 7. 47), Schloß-Schule Schnaitheim (15. 5. bis 7. 11.), Neue Schule Schnaitheim (1. 7. bis 31. 10.), Schiller-Gymnasium (18. 6. 45 bis 4. 1. 47), Gewerbliche Berufsschule (5. 5. 45 bis 11. 1. 47), Brenzschule als amerikan. Poststelle (5. 5. bis 15. 6.), Olgaturnhalle (10. 11. 45 bis 15. 1. 47), Bühlturnhalle (18. 6. 45 bis 4. 1. 47), Stadtbad (5. 5. 45 bis 15. 12. 46), Bahnhofhotel (29. 4. 45 bis 11. 1. 47), Hallamt (ab 1. 5.). Auf dem Galgenberg war ein kleiner Behelfsflugplatz. Starke Truppenbelegung bis November.

Dezember 1945

Dez.
Ludwig Zeeb wird kommisarischer Kreispfleger.
Die Stadtbücherei wird wiedereröffnet mit 3 200 Bänden.
Evang. Hilfswerk nimmt unter Pfarrer Pfähler seine Tätigkeit auf.
Es beschließt der Beirat folgende Straßennamen-Änderungen: Heidenheim, Adolf-Hitler-Straße = Hauptstraße; Horst-Wessel-Straße = Am Wedelgraben; Schlageterstraße = Im Flügel; Dietrich-Eckart-Straße-Heinrich-Heine-Straße; Mergelstetten, Adolf-Hitler-Straße = Hauptstraße; Dietrich-Eckart-Straße = Keplerstraße; Horst-Wessel-Straße = Brenzstraße; Aufhausen, Adolf-Hitler-Straße = Hauptstraße.

1. 12.
Die Volkszählung ergibt 35 913 Einwohner (im ganzen Kreis 73 563).
Hauptfeldwebel Karl Bauder aus Heidenheim-Mergelstetten wurde neben dem Goldenen Verwundetenabzeichen, dem Deutschen Kreuz in Gold u. a. als einer der ersten Soldaten mit der Goldenen Nahkampfspange ausgezeichnet.

4. 12.
RA Abele als erster Rechtsanwalt von dem Präs. des Gerichtshofes der Mil.-Reg. Heidenheim vereidigt und zugelassen. Die Stadt mußte für Zwecke der Militärregierung eine deutsche Hilfspolizei aufstellen. Ab 28. 4. durchschnittlich 32 Mann.

6. 12.
Beirat beschließt Erhöhung der Grundsteuer B auf 200%, der Gewerbesteuer auf 300%.

15. 12.
Der CVJM erhält die Genehmigung zur Wiederaufnahme seiner Vereinsarbeit.

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