Heidenheimer Chronik 1948

      

Januar | Februar | März | April | Mai | Juni | Juli | August | September | Oktober | November | Dezember

Januar 1948

Jan.
Der Oratorienverein Aalen und die Stuttgarter Philharmoniker führen Ludwig van Beethovens "Neunte" auf.
Im Gemeindesaal des Mergelstetter Rathauses wird ein Kino eröffnet. Sommer.
Gründung des Naturkundevereins. 1. Vors. Rektor Karl Döttinger; bald 170 Mitglieder. Im September erste Lehrfahrt ins Steinheimer Becken mit Dr. Trautwein.
Friedrich Kicherer wird Albvereins-Vertrauensmann.

1. 1.
Die Lebensmittel sind auch zu Beginn des Jahres noch rationiert. Mit Mangelware wird verschiedentlich ein schwunghafter Schwarzhandel getrieben. So wurden Feuersteine mit 2,10 Mark das Stück gehandelt. Die Militärbehörde bestrafte die Wucherer sehr hart. Nach dem 20. 6. Bewirtschaftung von Eiern und Kartoffeln aufgehoben, ebenso für Fahrräder, Möbel, Haushaltgeräte, Öfen und Herde.
Die Gewerbesteuer wird wieder von der Stadt erhoben.

3. 1.
Die "Schwäbische Donau-Zeitung", als einzige Zeitung der Stadt, bringt einen Wunschzettel für 1948: Verbesserung des Verkehrsproblems insbes. Fahrtmöglichkeit nach Stuttgart, mehr Zulassungskarten für Triebwagen, Verbesserung des Sonntagsverkehrs. Erstellung einer beleuchteten Auskunfttafel am Bahnhof für Quartiersuchende. Verschönerung des Eugen-Jaekle-Platzes durch architektonische und gärtnerische Anlagen. Freigabe der Schwimmhalle im Stadtbad und dessen Ausbau. Baldige Wiederanbringung der abgenommenen Briefkästen nach erfolgter Herrichtung. Die Kinder sollen mit Einbruch der Dämmerung von den Straßen verschwinden, damit kein Unfug angestellt werden kann.

8. 1.
Der Heidenheimer Gemeinderat konstituiert sich. Anwesend sind der Leiter der örtl. Militärregierung, Major Schouten, und Col. Walters von der Landesmilitärregierung.

10. 1.
Große Rassegeflügelschau. Mehr als 8000 Besucher. Züchter aus Württemberg und Bayern hatten ihre besonderen Exemplare geschickt.

16. 1.
Im "Hospiz" beginnt eine "Konzertreihe ausländischer Künstler".

24. 1.
Dr. Werner Walz wurde vom Kreistag zum Chefarzt des Kreiskrankenhauses gewählt.

28. 1.
Mergelstetter Ausgemeindungsbestrebungen halten an. Schrift: "Was haben wir Mergelstetter zur Ausgemeindung zu sagen?" erscheint. Am 31. 3. 48 wird der Ausgemeindungsantrag vom Staatsministerium abgelehnt.

29. 1.
Im Hospiz findet eine Bürgerversammlung statt, bei der Oberbürgermeister Prof. Kliefoth spricht. Weitere Bürgerversammlungen am 3. 2. in Aufhausen, 5. 2. in Mergelstetten, 6. 2. in Schnaitheim.

Wahl des Kreisrats. Mitglieder der Stadt sind:
CDU: Rauch Stellvertreter Hannemann
SPD: Martin Stellvertreter Hof
DVP:   Stellvertreter Bachmann
Neubürger:   Stellvertreter Behr
Außerdem ist von Amts wegen der Oberbürger-
meister Mitglied des Kreisrats.

In der als DP-Lager beschlagnahmten und mit 3000 Juden (einschl. Polizeischule) belegten Voithsiedlung fand eine Großrazzia durch die Militär- und Landespolizei statt, bei welcher unwahrscheinliche Mengen bewirtschafteter Waren beschlagnahmt wurden. Mehrere Lastkraftwagen waren zum Abtransport notwendig.

30. 1.
Oberbürgermeister Prof. Kliefoth nahm die Einweihung der Brenzbrücke beim städt. Gaswerk vor. Als Folge der Währungsreform haben neu begonnen: Die Wochenmärkte und 1 Krämermarkt jährlich. Die Schafmärkte wurden wegen Seuchengefahr nicht abgehalten.

Februar 1948

6. 2.
Nahezu 4 000 Menschen protestieren auf dem Eugen-Jaekle-Platz gegen die Bewirtschaftungsmaßnahmen.

7. 2.
Erstes Künstlerfest. Hierbei wurde das von Paul Kühmstedt vertonte Lustspiel "Die Reise nach Wien" von Cajetan Saccardt, mit viel Erfolg uraufgeführt.

22. 2.
Dr. Karl Rau zum Oberbürgermeister gewählt.
Wahlberechtigte 23 300  
Abgegebene Stimmen 17 171 74%
Ungültige Stimmen 154  
Dr. Karl Rau 10 761 65%
Prof. Dr. Kliefoth 5 937  
Zwei weitere Bewerber 319  

25. 2.
Die "Schwäbische Donau-Zeitung" - Ausgabe Heidenheim - stellt ihr Erscheinen ein.
Nunmehr wird die Zeitung als Aalener Zeitung "Schwäbische Post" - Ausgabe Heidenheim - herausgebracht.

März 1948

6. 3.
Dr. v. Zabern, der bisherige Landrat, wurde wieder gewählt. Von 30 Kreistagsmitgliedern erhielt er 26 Stimmen, 4 Stimmen waren ungültig.

17. 3.
Tierarzt Dr. Viktor Reinhard wurde mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Reg. Veterinärrates beauftragt.

18. 3.
Mr. Charles M. La Follette, der Direktor der Militärregierung von Württemberg-Baden besuchte mit dem Sachbearbeiter für Flüchtlingsfragen Oberst Walters sowie Innenminister Ulrich die Stadt.

22. 3.
Die Heidenheimer Spruchkammer beendete mit einem Festakt ihre fast 22monatige Tätigkeit als erste Kammer Württemberg-Badens.

April 1948

11. 4.
Die Stadtteile hatten ihren großen Tag im Sport. In der Bezirksklasse wurde der SV Mergelstetten und in der A-Klasse die TSG Schnaitheim Fußball-Meister. VfL bildet Hockey-Abteilung.

16. 4.
Oberbürgermeister Dr. Karl Rau wurde von Innenminister Ulrich in sein Amt eingeführt. Dr. Kliefoth ist ausgeschieden.

27. 4.
Der Oratorienverein kann auf eine 40jährige Tätigkeit zurückblicken. Er begeht dieses Fest mit der Aufführung von zwei Kantaten von J. S. Bach in der Pauluskirche. Im Dezember wird das Weihnachtsoratorium von Bach gegeben.

30. 4.
Die Firma Siemens & Halske AG begeht in den Seewiesen ihr Richtfest. Die Firma Erhard errichtet in allen westdeutschen Ländern eigene Verkaufs- und Beratungsbüros.

Mai 1948

1. - 2. 5.
Deutschlands Tischtennis-Elite ist anläßlich des 2. Internationalen Tischtennis-Turniers hier.

5. - 8. 5.
69. Tagung des "Oberrheinischen geologischen Vereins".

9. 5.
Im zweiten Stadtlauf nach dem Kriege siegte der VfL im Hauptlauf vor dem TSB.

10. 5.
Die aus der "Neubürgerbühne" hervorgegangene "Heidenheimer Operettenbühne" brachte als Premiere "Das Dreimädelhaus" mit großem Erfolg.

30. 5.
Die internationale Hundeausstellung auf dem Erchensportplatz war mit 5000 Besuchern ein großer Erfolg.

Juni 1948

10. 6.
Der Gemeinderat wählte Stadtamtmann Paul Hering zum Bürgermeister mit 15 Stimmen, und Stadtamtmann Ernst Kuch zum Stadtpfleger mit 16 Stimmen.

14. - 19. 6.
Die Polizei führte eine Verkehrserziehungswoche durch. Bei 78 Verkehrsunfällen 1948 (wie 1947) waren 3 Tote und 64 Verletzte zu beklagen.

20. 6.
Währungsreform. Bedeutungsvollstes Wochenende des Jahres auch hier. Nach der Proklamation zur Neuordnung des Geldwesens wurden an 33 verschiedenen Plätzen Geldumtauschstellen errichtet. Der Umtausch begann am Sonntag, den 20. 6., um 8 Uhr früh. Die Spannung der Bevölkerung war gebrochen. Lange vor der Öffnungszeit standen die Menschen vor den Türen der Umtauschstellen. Der Geldumtausch vollzog sich reibungslos. Jeder Einwohner erhielt als Kopfbetrag DM 40,- als erste Rate in neuer Währung, anstelle von RM.

27. 6.
Die Volksschauspiele eröffnen ihre Spielzeit im Naturtheater mit "Der Geiger von Gmünd" von Hermann Streich.

Juli 1948

28. 7.
Hotelzimmer werden wieder durch die Besitzer vergeben, nicht mehr durch das Wohnungsamt. Wilhelm Birkmeyer wird Obermeister der Bäckerinnung.

31. 7.
Nobelpreisträger Prof. W. Heisenberg spricht im "Hospiz" über "Grundprobleme der gegenwärtigen Atomphysik".

August 1948

4. 8.
Die Volkskunstvereinigung konnte als Erlös einer Aufführung im Naturtheater DM 3000.- den Opfern der Ludwigshafener Explosionskatastrophe zuführen.
Zugunsten der Opfer des Ludwigshafener Explosionsunglücks findet auf dem VfL-Platz ein Fußballspiel zwischen Auswahlmannschaften des TSB und VfL statt.
Den Anstoß führt der Chef der Militärregierung Major Schouten. Ergebnis DM 1 000.- Heidenheimer Sportler stellen vier württ. Meister: Sauer, TSG Schnaitheim, im Gewichtheben; Weber, TSB Heidenheim, im Ringen (Bantamgewicht); Riek, TSB Heidenheim, im Ringen (Fliegengewicht der Junioren); Volk, TSG Schnaitheim, im Gewichtheben der Junioren.

5. 8.
Städt. Übernachtungsstelle in der Bergschule aufgehoben.

7. 8.
Der Gemeinderat genehmigt die Erhöhung der Strom- und Gaspreise, die durch die Steigerung der Kohlen- und Eisenpreise bedingt ist.

8. 8.
Erstes Berufsfahrer-Radrennen auf der Rundstrecke Paulinenstraße-Karlstraße-Bahnhofsplatz.

25. 8.
Wieder Tag und Nacht Gas. Die in der Ferngasversorgung angeschlossenen Gemeinden können noch nicht ganztägig versorgt werden.

28. 8.
Die Firma J. M. Voith errichtete in der Uhlandstraße einen Wohnungsbau und gibt bekannt, daß noch weitere Neubauten in Kürze folgen werden.

September 1948

1. 9.
Prok. a. D. Ludwig Schott und seine Ehefrau Margarete geb. Kicherer feiern das seltene Fest der eisernen Hochzeit, in Mergelstetten, Ludwigstraße 8. Dieses Jahr sind 486 Heimkehrer aus Kriegsgefangenschaft eingetroffen, darunter 60% Heimatvertriebene.
Heini Weber, TSB, wurde Südd. Meister im Ringen.
Das Stadtbad ist wieder geöffnet. Die Schwimmhalle muß noch geschlossen bleiben.

3. 9.
Besprechung mit Staatskommissar Bettinger und Vertretern der örtlichen Militärverwaltung über das Wohnungsproblem im Rathaus. Hierbei wurde wieder die Forderung auf baldige Freigabe der Voithsiedlung erhoben.

6. 9.
Die Auszahlung des restlichen Kopfgeldes als zweite Rate erfolgt durch das Ernährungsamt.

7. 9.
Ein Zeichen der Zeit ist die Tatsache, daß nach Aufhebung der Bewirtschaftungsbestimmungen für Eier, die Zuteilungen völlig aufgehört haben.
Die Versorgung des Krankenhauses mit Eiern liegt brach, so daß zu einer Sammlung von Eiern bei den Geflügelhaltern aufgerufen werden mußte.
Die im Osten der Stadt errichtete Meebold-Siedlung ist fertiggestellt.

12. 9.
Die Ostalb-Gruppe freischaffender Künstler eröffnet im Konzerthaus ihre Kunstausstellung 1948.

15. 9.
Im Konzerthaus wird ein öffentliches Forum abgehalten. Außer leitenden Beamten der Stadtverwaltung, des Landratsamtes und der Militärregierung, nehmen auch noch maßgebende Persönlichkeiten des Landes und der Landesmilitärregierung teil.
Um eine Überfüllung des Konzerthauses zu vermeiden, wurden 1000 Eintrittskarten ausgegeben.
Kreis-Landfrauenverband gegründet.

18. 9.
Die Frauenarbeitsschule eröffnet ihre erste Ausstellung nach dem Kriege.

Oktober 1948

2. 10.
In der Nacht vom Samstag, den 2., zum Sonntag, den 3. Oktober, wurden die Uhren um eine Stunde zurückgestellt.

3. 10.
Erntedankfest. In den Kirchen werden Dankgottesdienste abgehalten. Die zuständigen Gremien der Landwirtschaft berichten, daß sich die Kartoffelernte als Rekordernte erwies. Dagegen ließ die Qualität zu wünschen übrig. Nicht so gut war das Ergebnis beim Getreide. Der schlechten Heuernte stand eine gute Öhmdernte gegenüber. Eine große Sorge bereitet der Landwirtschaft der Mangel an Arbeitskräften.

4. 10.
Ehrung für den Deutschen Meister im Bantamgewichtsringen 1948/49 Heini Weber. Ihm wurde ein triumphaler Empfang bereitet. Oberbürgermeister Dr. Rau beglückwünschte ihn namens der Stadt und überreichte ein Geschenk.

7. 10.
Gemeindeverordnung (ortspolizeiliche Vorschriften) vom Gemeinderat erlassen. In der Sitzung des Gemeinderats bezeichnete der Oberbürgermeister den Wohnungsbau als Problem Nr. 1. Am Eisenberg soll eine Versuchssiedlung entstehen. Zu diesem Projekt berichtet Prof. Keuerleber, Stuttgart.

22. 10.

Der Krankenhaus-Erweiterungsbau wurde eingeweiht. Vertreter der Militärregierung und der Landesregierung nahmen daran teil.

23. - 25.10.
Der Besuch der Fußballmannschaft FC Zürich-Unterstrass ist ein Ereignis von besonderer Bedeutung, da zum ersten Male nach dem Kriege ausländische Sportler in das Brenztal kommen. Ein Spiel gegen den VfL endete 2:2.

24. 10.
Tag der Europa-Union. Kundgebung auf dem Eugen-Jaekle-Platz. Sonderstempel der Post.

28. 10.
Gegen den Preiswucher protestierten die Gewerkschaften in einer Protestkundgebung im Konzerthaus.

29. 10.
Der von der Konzertdirektion Meuer begründete Theater-Ring beginnt mit der von der städt. Bühne Ulm aufgeführten Oper "Der Freischütz" von C. M. v. Weber.

31. 10.
Der kommissarische Leiter des städt. Polizeiamtes Elias tritt von seinem Amt zurück. Die Amtsgeschäfte nimmt bis auf weiteres Oberkommissar Hinz wahr. Die Sonderpolizei ist aufgelöst.

November 1948

1. 11.
Die Firma J. M. Voith gibt die "Voith-Mitteilungen" heraus.

11. 11.
Im Rathaussaal wählte der Kreistag mit 24 von 33 Stimmen Emil Ortlieb zum Kreispfleger.

12. 11.
Die Gewerkschaften haben zum Generalstreik als Protest gegen den Preiswucher und neue Warenhortung aufgerufen. Der Streik verlief ruhig. Nach der Kundgebung am Bahnhofsplatz Protestmarsch durch die Stadt.

27. 11.
Bis zur Wiedergenehmigung des Schießbetriebes durch die Besatzung nennt sich der Zimmerschützenclub "Verein für Gesellschaftsspiele''. Die Schwimmer lösten sich wieder vom VfL und bildeten wieder den Schwimmverein 04.

Dezember 1948

1. 12.
Die "Heidenheimer Zeitung", deren Herausgeber Prof. Dr. Kliefoth und C. E. Conrads sind, wurde lizenziert.
Die "Schwäbische Donau-Zeitung" erscheint täglich als "Heidenheimer Volksblatt" in einem erweiterten Umfang.

11. 12.
Zur Belegung der Voithsiedlung mit DP gab der Abgeordnete Rauch im Kreistag eine Erklärung ab. Sie gipfelte in der Forderung, daß die bisher dort aufgetretenen Schäden angemessen vergütet werden und daß die Siedlung in Bälde von den DP ganz geräumt wird.

14. 12.
Der Gemeinderat beschloß, es sollen 108 Wohnungen erstellt werden, mit einem Gesamtaufwand von 1 032 000 DM.

18. 12.
Die Pauluskirche feiert ihr 50jähriges Bestehen.
Weihnachtsfeiern für Alte und Kinder im Konzerthaus. Als Gast nahm Kultusminister Bäuerle daran teil. Die Volkskunstvereinigung spielte das Weihnachtsmärchen "Hans Wundersam", zu dem der Heidenheimer Komponist Paul Kühmstedt die Musik geschrieben hatte.

31. 12.
Der Chef der Militärregierung, Major Earle P. Schouten, scheidet mit Jahresende aus seinem Posten. Die Militärregierung hat nur noch das Hallamt und die Villen Voith und Waldenmaier beschlagnahmt.

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